Kentauren (Rose Hill)

Habe heute morgen die Seiten von performance-festival aufgesucht, um etwas zu beginnen. Es fällt mir schwer zwischen dem Alltäglichen und nach den Wochen, die seit den Tagen im Mai auf Salzau vergangen sind, mich auf das was war zu besinnen, doch denke ich, dass in der Hast, mit der wir unsere aktuellen Ziele verfolgen, die Gedanken an das, was wir gemeinsam geschaffen haben, nicht verloren gehen sollten.

Wahrscheinlich nicht grundlos steht ein Foto von „Remember – Dismember“ von Rose Hill als Titel auf der Website, so dass der Titel auch ein Motto sein könnte. Es geht um Erinnern und Vergessen, und im Materiellen – durch das Pferd vorgestellt, um Herstellen und Zerstückeln des Materials. Schaffen aus der Erinnerung und Bearbeiten der Erinnerung. Aufgeben des Überflüssigen.

Das Pferd ist neben der Erinnerung an die individuelle Geschichte der Kindheit, wo ein Pferd ob real oder als Spielzeug Stärke manifestiert und Schutz und Kraft gibt – nicht nur symbolisch ausstrahlt, auch Erinnerung an die Vorgeschichte der Menschheit, der das Pferd Arbeits- und Transportmaschine war, also die Reichweite des Menschen (als trajet) vergrößerte.

Das wirft Fragen nach dem Sinn der Zerstörung auf, wenn es uns schon als Erwachsene und Menschen im „postindustriellen Zeitalter“, wie manche so schön und unbefangen sagen, um die Abhängigkeit von der Maschine klein zu reden, die tatsächlich nie größer war. Die Rede von der „nachindustriellen“ Welt ist vielleicht als ein Umgang mit der Maschine zu beschreiben, der an die Reduzierung der Größe eines wirklichen Pferdes auf die Größe eines Spielzeugs oder Stofftiers erinnert. Die Technik wird verkleinert und der Umgang mit ihr spielerisch. Bezeichnend für diesen Stand der Technik ist ja die Nähe von technisch potenzierter Gewalt und Spiel. Die gefährlichsten Waffen werden mit Programmen gesteuert und verwaltet, die auch für Video-Simulations-Spiele verwendet werden. Folglich handeln die Spiele auch von genau von den Möglichkeiten der durch Technologie verstärkten individuellen und kollektiven Gewalt.

Das ist abstrakt ausgedrückt, aber Spiele und Spielzeuge sind selbst ja außerorderntlich abstrakt, wenn auch der Umgang mit ihnen extrem konkret ist. Das ist genau die Spannung, die auch der Kunst Kraft gibt und die Performances haben sollten, wir sind nicht losgelöst von den genannten Zusammenhängen aber wir brauchen sie nicht ungeprüft und unbearbeitet hinnehmen. Der Vorteil der Kunst ist die Möglichkeit aus den Tiefenschichten der Vergangenheit schöpfen. Damit besteht die Chance, die Dinge zu verstehen, selbst wenn wir sie noch nicht intellektuell erfassen können. Das ist die Besonderheit des Rituals, das in Performances oft beschworen worden ist und wird. Ritual ist nicht nur die Wiederholung durch Feste im Jahreszyklus – Performance-Festivals suchen ihren Platz darin und haben Anteil daran – es ist auch die Vergegenwärtigung von Dingen (Erinnerung) auf einer Tiefenschicht. Daher der Zusammenhang mit Zerstückelung (dismembering). Wenn wir von dieser Schicht uns abzutrennen versuchen, ist das wie eine geistige oder seelische Amputation. Ein Teil von ist verloren und wir spüren gelegentlich noch den Phantomschmerz.

Einst gab es wohl Kentauren.
Rose Hill hat ihre Schwarzes Pferd in einem Karton – ihr einziges Gepäckstück auf dem Überseeflug von Seattle nach Hamburg – nach Kiel transportiert, um es zu zerschlagen und um es im Wald bei Salzau zu bestatten. Wir haben es gesehen.

Was habt ihr gesehen und gedacht?

Grüße
Euer Johannes Lothar Schröder

3 Kommentare zu »Kentauren (Rose Hill)«

  1. Alessa Lamatsch schreibt:

    Ich finde die Seite gut …
    Weißt du auch warum die Kentauren aus Thessalien vertrieben worden sind???

  2. alexandra gneissl schreibt:

    Liebe Alessa,
    ehrlich gesagt, weiß ich nicht mal genau, wo Thessalien überhaupt liegt.
    Wir sollten wohl doch Johannes dazu befragen.
    Herzlich Alexandra

  3. Johannes Schröder schreibt:

    Die Kentauren, die zur Hochzeit von Hippodameia und Peirithoos gekommen waren, betranken sich. Vom Wein berauscht, der ihnen unbekannt war, eiferten sie dem Erytos nach, der sich die Braut schnappte. Diesem Übergriff folgend entführten die Kentauren die Frauen und jungen Männer ihrer Nachbarn, der Lapithen, die daraufhin ihrerseits ihre Nachbarn angriffen und bekriegten.
    Die Kentauren werden als ein wildes Bergvolk angesehen, das sich aufgrund seiner rauen Sitten und seines ungehobelten Verhaltens bei den Hellenen unbeliebt machte.
    Einer der Kentauren, Chiron, gilt als Lehrer des Archilles. Chiron kannte sich in der Heilkunst aus, womit die andere Seite der Wildheit, die Kenntnis der Heilkräfte der Kräuter hervorgehoben wird.

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